Monatelang haben alle Schüler des Beruflichen Gymnasiums am Adolph-Kolping-Berufskolleg diesem Tag, dem 16. November 2018, entgegen gefiebert – ist es doch der schönste Tag im ganzen Schulkalender – die Ausstellungseröffnung ihrer Schülerfirma Arkadien Galerie Artothek! Die Bilder der Ausstellung entstanden im Kunstunterricht und in Workshops unter der Leitung der Kunstlehrerinnen Ellen Gernun und Ulrike Grundhoff – Tage der Kreativität, an denen sich die jungen Künstlerinnen und Künstler intensiv mit der Malerei auseinandersetzen, entwerfen, experimentieren, wieder verwerfen und Neues schaffen.
In einem dieser Workshops entstanden die Werke, die der Ausstellung dots and fairytales ihren Namen gegeben haben. Dots sind kleine Punkte, und diese finden sich, mit Schablonen und Sprühdose appliziert – im Hintergrund der farbenfrohen Gemälde. Im Vordergrund sind neu kontextualisierte fairytales – Märchenmotive, oft als Silhouette, aus Acrylfarbe oder als Bleistiftzeichnung zu finden. Erkennt man die Märchen? Natürlich: Da gibt es Peter Pan und Wendy Darling, die durch die Luft fliegen – allerdings stürzen unter ihnen Bomben zu Boden. Rapunzel sieht sich plötzlich mit einem Astronauten konfrontiert – kann er sie aus dem Turm retten?
Die letzte Jahrgangsstufe 11 steuerte unter anderem malerische Arbeiten bei, die besonders fantasievoll sind. Ausgehend von einem dot entstanden großflächige, bunte, sich überschneidende Kreise, die wie der Dampf aus einer Hexenküche wirken.
In einem weiteren Workshop widmeten sich die jungen Künstler dem Thema Figur: Naturalistische Darstellungen von Figuren treffen auf grafische Strukturen, typographische und malerische Elemente fusionieren zu etwas Neuem.
Alle künstlerischen Arbeiten werden von der Schülerfirma Arkadien Galerie Artothek verliehen.
Diese Firma bildet seit Jahren das Herzstück des Beruflichen Gymnasiums: Die Schülerinnen und Schüler sind nicht nur für die künstlerische Produktion, sondern auch für die Verwaltung, Kundenbetreuung, das Galeriewesen und das Marketing „ihrer“ Firma verantwortlich. Dabei betreuen die Fachlehrerinnen Sandra Guderian das Verwaltungsteam und Erika Alexander in der Galeriewerkstatt die Rahmung und Hängung der Werke.
Die Schülerin Theresa Hoelscher eröffnete die Vernissage der Schülerfirma. Der Schüler Lukas Habbel stellte einen Zusammenhang zwischen den Märchen und der Kindheit her, der Zeit, als man noch spielen durfte. Ohne den Rückbezug auf die kindliche Leichtigkeit wären Kreativität und kulturelle Entwicklung gar nicht möglich: Man solle „die Kraft spielerischer Motivation für sein Vorhaben gestalterisch“ nutzen und so „diesen gefühlt verspielten und gleichzeitig reflektierten Ernst in sein Tun einfließen“ lassen.
Die Schülerin Hanna Desta stellte fest, dass nicht alle Jugendlichen heute in der von „Hedonismus und Konsumlust“ geprägten Gesellschaft leben wollen. Eine solche Erlebnis- und Spaßgesellschaft biete nur „geistiges Plastik: Man fühlt sich wie ein Fisch, der im Ozean Plastik frisst und danach verhungert“. Sie erklärte den anwesenden Gästen der Vernissage: „Geistig wollen wir weiterkommen, ob ihr es glaubt oder nicht!“ In den künstlerischen Prozessen ergebe sich eine „Energie und Neugierde und Lust auf etwas Echtes“. Man müsse im kreativen Prozess aufmerksam sein und „Ideen wie kleine Perlen pflegen“.
Yola Brormann schloss den Reigen mit einigen Gedanken zur Rolle und zum Anliegen der Künstler in der heutigen Zeit. Während die Künstler der Moderne sich durchaus in „Bildern des Zerstörens und Überschreitens von Gesetzen“ sahen, will der heutige Künstler „anklopfen und sich einmischen“. Er möchte Geschichten evozieren, für die er das narrative Material bietet. Worin lag noch einmal der Zusammenhang „des Astronauten und Rapunzel“? Was will uns das „tote Vögelchen auf der Türklinke“ erzählen. Was denkst du? Ein besonderer Hingucker waren auch die großformatigen Fotografien, die im Projekt „Kleider machen Leute, oder eben nicht“ unter der Leitung von Ellen Gernun entstanden sind.
Für die fotografischen Arbeiten dieses Projekts und der gesamten Schülerfirma ist die Fachlehrerin Ricarda Holz zuständig. In diesem Projekt suchten die Schülerinnen und Schüler die Begegnung mit Menschen, die aufgrund ihrer äußeren Erscheinung und Kleidung im Straßenbild auffallen. Auffallen bedeutet, dass diese Menschen sich durch ihre Kleidung vom „normalen“ gewohnheitsmäßigen Trend abheben, sei es durch Originalität, den kulturellen Hintergrund oder durch andere Faktoren. Den jungen Kunstschaffenden gelang es, zahlreiche Personen für das Projekt zu gewinnen, die ins Fotostudio der Schule kamen und sich professionell ablichten ließen. Mit diesen Fotos gingen die Schüler wieder in die Stadt und befragten Menschen jeden Alters, jeder Kultur und sozialen Gruppe, was ihnen unmittelbar beim Betrachten des Bildes einfalle.
Den Schülern wurde durch das Projekt klar, wie vorschnell Menschen andere Menschen beurteilen und kategorisieren, ohne sie zu kennen. Ausgestellt wurden die beeindruckenden Fotos zusammen mit den Lebensgeschichten und den gesammelten Kommentaren. Die Porträtierten waren auch anwesend und lasen die Kommentare der Passanten interessiert.
Die Schüler gehen nun reflektierter mit dem Thema um und hoffen, dass es die etwa 300 Besucher der Ausstellung auch tun werden. Vor den Türen zum Getümmel im bunten Galeriesaal präsentierte die Internationale Schulimkerei den eigenen Honig und das Projekt, eine Kooperation des Beruflichen Gymnasiums mit den Internationalen Förderklassen (IFK) des Adolph-Kolping-Berufskollegs. Im Foyer der Schule stellten die Schüler unter der Leitung von Ivette Herold ihre Kooperation mit dem Münsteraner Arbeitskreis Sri Lanka e.V. vor und boten Bilder aus dem Archiv der Schülerfirma zum Verkauf. Der Erlös kommt den Projekten auf Sri Lanka zugute. In den winterkalten Innenhof des Berufskollegs lockten heiße Getränke und wie jedes Jahr die Trommelgruppe der Musikschule Wolbeck unter der Leitung von Yanik Wellmann. Diese rundet die Jahresausstellung der Artothek mit einer dynamischen Performance am Lagerfeuer ab.
Text: Iris Blaschzok, Dr. Anja Maclean-Wilke und Ulrike Grundhoff
Fotos: Ricarda Holz