„Der Junge mit dem roten Hemd“ – Sidan Khudeda liest am AKBK
Sidan Khudeda (mittlerweile 28 Jahre alt) kam vor 10 Jahren als Schüler der Internationalen Förderklasse (IFK) an das Adolph-Kolping-Berufskolleg.
Er entstammt einer jesidischen Familie im Nordirak und hat nach eigener Auskunft dort zwei Völkermorde überlebt, bevor er im Jahr 2014 – von der fundamentalistischen Miliz „Islamischer Staat“ (IS) vertrieben – mit seiner Familie „über den Berg“ nahe seiner Heimatstadt Shingal nach Deutschland flüchten konnte.
In einer Lesung vor den Schülern des AKBK gab er am Donnerstag, 11.12.2025 einige ergreifende Einblicke in sein Familienleben, seine Kindheit und seine Fluchterlebnisse, die von Schicksalsschlägen wie dem Tod des Vaters und der Schwester gezeichnet sind. Alle seine Erlebnisse und auch seine Erfahrungen mit dem Alltag und der Integration in Deutschland hat Sidan Khudeda in Interviews mit dem ehrenamtlichen Vorsitzenden des Vereins „Flüchtlinge willkommen in Düsseldorf e.V.“ Ansgar Drücker dokumentiert, der diese dann umgesetzt hat in einem Buch mit dem Titel: „Der Junge mit dem roten Hemd – Die Lebensgeschichte eine jungen jesidischen Gefüchteten“. Und dieser Titel war auch für die Lesung am AKBK Programm, denn das rote Hemd ist noch immer das Markenzeichen des jungen Schriftstellers, der sich selbst lieber als Künstler sieht, denn seine ganze Liebe gilt neben der Literatur besonders der Malerei und der Musik.
Zum Hintergrund: Die Jesiden sind eine ethnisch-religiöse Gruppe mit weltweit ca. 1 Mio. Angehörigen, die ursprünglich im nördlichen Irak, Nordsyrien und der südöstlichen Türkei lebten. Sie werden seit dem 19. Jahrhundert verfolgt und viele sind mittlerweile in ganz Europa geflüchtet oder leben in Flüchtlingslagern im Nahen und Mittleren Osten. Das Jesidentum ist eine monotheistische nicht auf einer Heiligen Schrift beruhende Religion mit einem Endogamiegebot. Das bedeutet, dass sich die Mitgliedschaft ausschließlich durch Geburt ergibt, wenn beide Elternteile jesidischer Abstammung sind. Eine Heirat von Jesiden mit Nicht-Jesiden führt zwangsläufig zum Ausschluss aus der Gemeinschaft – die Endogamie soll deshalb vor allem zu ihrem Schutz dienen.
Seit 2014 sind die Jesiden Opfer eines andauernden Völkermords, besonders im Nordirak mussten sie vor Verfolgung, Versklavung, Vergewaltigung und Ermordung durch den IS fliehen. Durch das Erlahmen des IS siedeln die Jesiden zwar mittlerweile wieder in ihrer alten Heimat im Nordirak, können aber dort noch immer nicht in Frieden leben.
Sidan Khudeda gab den sehr aufmerksamen Schülerinnen und Schülern in seinem Publikum teils traurige, teils aber auch sehr amüsante Einblicke in das Leben in der jesidischen Gemeinschaft vor dem IS-Terror: „Es ging mir in meiner Biografie nicht darum, eine perfekte Geschichte zu schreiben, sondern ehrlich zu beschreiben, was ich erlebt habe und durchmachen musste.“
Die anschließende Diskussion mit den Lernenden des AKBK zeigte, dass die jungen Menschen sehr beeindruckt und dankbar für diese Gelegenheit waren, so hautnah und authentisch ein Flüchtlingsschicksal nachfühlen zu können, vor allem weil die eindruckvollen Schilderungen Sidan Khudedas so vollkommen anders waren, als alle fremdenfeinlichen oder –skeptischen Beiträge eines öffentlichen Exkurses, der von polemischen Ausfälligkeiten über „Stadtbilder“ oder „Remigration“ geprägt ist und über Social Media auch leider das Weltbild vieler junger Menschen mitprägt.
Mit Sidan Khudeda konnten die Schülerinnen und Schüler einen Menschen kennenlernen, dem sie sich alle „verwandt“ fühlten, weil er die selben Wünsche und Bedürnisse hat wie sie und sich diesen mit aller Kraft widmet.
„Ich bin jeden Tag dankbar für die Sicherheit in Deutschland.“, betonte er in seinem Schlusswort.
Danach hatten die Schülerinnen und Schüler noch die Gelegenheit einen Song des Künstlers als Video zu sehen und sich sein Buch signieren zu lassen. Wir danken unserer Fachlehrerin Jana Viefhues für ihr Engagement und ihre Organisation.
Text und Fotos: Werner Grundhoff



