„Ein ganzes halbes Jahr“ – Berufsfachschüler erleben körperliche Einschränkungen mit allen Sinnen

„Ein ganzes halbes Jahr“ – Berufsfachschüler erleben körperliche Einschränkungen mit allen Sinnen

Ein ganzes halbes Jahr lang sammelten die Schüler*innen des gleichnamigen Differenzierungskurses „Ziemlich beste Freunde / Ein ganzes halbes Jahr“ der Berufsfachschule 1 und 2 am Adolph-Kolping-Berufskolleg wertvolle Erfahrungen im Umgang mit körperlichen Einschränkungen.
Anbei der gemeinsame Erfahrungsbericht der Teilnehmer*innen Cederik Bornemann, Cihan Ucal, Haron Khalaf, Ivonne Gsödl und Merle Post: „Nachdem wir uns den Film ‚Ziemlich beste Freunde‘ gemeinsam im Unterricht angeschaut hatten, versetzten wir uns in die Situation eines körperlich eingeschränkten Menschen. Unter der Leitung unserer Lehrerin Frau Reger bildeten wir Kleingruppen und erkundigten mit den hierfür zur Verfügung gestellten Rollstühlen zunächst unser Berufskolleg. Wir achteten auf Türen, Treppen und weitere Hindernisse, die Menschen im Rollstuhl kaum oder gar nicht alleine bewältigen können. Somit sammelten wir die ersten Erfahrungen. Danach erforschten wir mit den Rollstühlen die Innenstadt von Münster und achteten darauf, wie andere Menschen auf uns reagierten. Viele Passanten waren sehr hilfsbereit und hielten uns beispielweise Türen auf. Wir merkten aber auch, dass wir grundsätzlich viel Aufmerksamkeit auf uns zogen und nicht jeder behilflich war. Des Weiteren begaben wir uns im Unterricht bei Frau Reger auf einen ‚Sinnesparcour‘ und stellten alle fünf Sinne auf die Probe. Beim Thema „Hören“ lauschten wir uns insgesamt 38 Geräuschen, die wir erraten mussten. Optische Sinnestäuschungen gab es vor allem beim Thema „Sehen“. Jedes gezeigte Bild konnte zweideutig betrachtet werden. Beim „Fühlen“ griffen wir mit einer Hand in eine nicht einsehbare Box, die mit unterschiedlichen Gegenständen ausgestattet war, und errieten diese. „Schmecken“ und „Riechen“ ist uns ganz besonders in Erinnerung geblieben. Mit verschlossenen Augen probierten wir unterschiedliche Getränke und Speisen. Viele davon waren sehr außergewöhnlich und die meisten von uns hatten sie zuvor noch nicht probiert. Unser Geruchssinn wurde ebenfalls blind auf die Probe gestellt. Insgesamt errieten wir 15 verschiedene Gewürze.

Ein ganz besonderes Highlight des Unterrichts war der Besuch der Residenz am Tibusplatz. Wir waren wirklich positiv überrascht, als wir in das Foyer gingen. Vorgestellt hatten wir uns ein krankenhaus- oder altenheimähnliches Gebäude. Doch die Residenz glich einem modernen Hotel. Sogar die Einrichtung des Speisesaals war überwältigend elegant. Vom Foyer ausgehend erreicht man eine Treppe, die zu den privaten Wohnungen der älteren Bewohner führt. In der obersten Etage befindet sich eine Bibliothek, die von den Bewohnern jederzeit genutzt werden kann. Ebenso verfügt die Residenz über eine hauseigene Bühne, auf der sogar ein Flügel steht. Regelmäßig gibt es dort Veranstaltungen, an denen die Bewohner zahlreich teilnehmen. Besonders interessant war die Besichtigung einer leeren Privatwohnung, die uns Frau Wünnemann ermöglichte. Beim Einzug bringt jeder Bewohner seine eigenen Möbel mit und richtet sich seine Wohnung entsprechend seiner persönlichen Vorlieben ein. Im weiteren Gespräch mit Frau Wünnemann erfuhren wir, dass derzeit 300 Bewohner im Alter ab ca. 75 bis über 100 Jahren in der Residenz am Tibusplatz leben. Ca. 250 Bewohner leben in ihren eigenen Privatwohnungen und können ihren Alltag weitgehend selbstständig bewältigen. Die anderen 50 Bewohner werden betreut und müssen zum Teil auch medizinisch intensiver versorgt werden. Wir fühlten uns in der Residenz sehr wohl und bekamen einen Einblick, wie man im Alter außerhalb eines Altenheimes selbstbestimmt und lebenswert leben kann.“

Text: Cederik Bornemann, Cihan Ucal, Haron Khalaf, Ivonne Gsödl und Merle Post
Fotos: Melanie Reger